Die Find-AF story

 

von Rolf Wachter

Das Studiendesign von Find-AF 2 ist maßgeblich beeinflusst von zwei Vorläuferstudien, Find-AF I und Find-AFRANDOMISED. Find-AF I war eine reine Beobachtungsstudie, Find-AFRANDOMISED war die randomisierte Pilot- und Dosisfindungsstudie zu Find-AF 2.

Die Find-AF-Geschichte begann im Juli 2008. Damals trafen sich erstmalig Dr. Klaus Gröschel1 und Prof. Dr. Andreas Kastrup2. Ich schlug Ihnen damals eine gemeinsame Studie zur Untersuchung natriuretischer Peptide für die Detektion von Vorhofflimmern bei Schlaganfallpatienten (Find-AF I) vor.

  1. damals Assistenzarzt in der Neurologie Universitätsmedizin Göttingen, heute geschäftsführender Oberarzt der Neurologie der Universitätsmedizin Mainz
  2. damals damals Leitender Oberarzt Neurologie, heute Chefarzt der Neurologie des Klinikums Bremen-Mitte

 

Find-AF I 2009-2010

Am 21. März 2009 konnten wir den ersten Patienten in die Studie einschließen und bis zum 20. Februar 2010 wurden 281 Patienten eingeschlossen. Am 2.6.2010 konnten wir die Ergebnisse im neurologischen Kolloquium in Göttingen erstmalig vorstellen und das Manuskript wurde wenige Wochen später in „Stroke“ angenommen. Die zentrale Aussage des Papers zeigt Abbildung 1.

 

Grafik Detektionsrate
Abbildung 1: Detektionsrate von Vorhofflimmern in Find-AF I. Die Balken geben die Vorhofflimmerrate am jeweiligen Monitoringtag an, die Linie zeigt die kumulierte Detektionsrate. Originalfolie aus der Präsentation am 02.06.2010. / Grafik: Wachter/Wasser

 

Basierend auf den Daten der Find-AF I-Studie beantragen wir 2010 erstmalig die Find-AF 2-Studie bei der DFG. Die eingereichte Skizze wurde kontrovers beurteilt, wie die sehr differenten Gutachterkommentare zeigen. Letztendlich erfolgte aber eine Einladung zum Vollantrag.

 

Beurteilung der Studie durch die DFG
Abbildung 2: Beurteilung der Find-AF II-Skizze im Schreiben der DFG vom 16.3.2011. Die klinischen Gutachter bewerten auf einer Skala von 1-6, wobei 6 die beste Beurteilung ist. Die Biometriker bewerten auf einer Skala von 1-3, wobei 3 die beste Note ist. / Grafik: Wachter/Wasser

 

Bei so weit auseinanderliegenden Beurteilungen schaute sich das DFG-Panel „Klinische Studien“ die Studie genau an und forderte uns zur Einreichung eines Vollantrages auf. Die Begründung des Panels zeigt Abbildung 3.

 

panel comments
Abbildung 3: Panel comments and statement aus dem Schreiben der DFG vom 16.3.2011. / Abbildung: Wachter/Wasser

 

Also bereiteten wir einen Vollantrag vor, den wir fristgerecht am 26. Mai 2011 einreichten. Geplant waren 2550 Patienten, die entweder ein 7-Tage-Langzeit-EKG nach Randomisierung gefolgt von wiederholten 3-Tage-Langzeit-EKG-Untersuchungen nach 3, 6 und 12 Monaten oder einen implantierbaren Ereignisrekorder bekommen sollten. Das damalige Studiendesign zeigt Abbildung 4.

 

Studiendesign
Abbildung 4: Studiendesign der Find-AF II-Studie (1. Vollantrag 05/2011) / Abbildung: Wachter/Wasser

 

Vorgesehen war ein Follow-up von 3 Jahren im Mittel, das beantrage Gesamtbudget betrug € 3.427.333.

Am 28.10.2011 schrieb uns die DFG, dass die Begutachtung leider negativ ausgefallen war. Drei klinische und ein biometrischer Gutachter hatten die Studie beurteilt mit erneut sehr differenten Ergebnissen. Die damalige Begründung des DFG panels für eine Ablehnung lautete:

 

Panel statement:

Comments: "This study aims at comparing prolonged ECG monitoring versus usual care (2-4 yrs follow-up) for patients who have had a recent ischemic stroke to prevent a 2nd event. The primary outcome is time to recurrent stroke. It is a large study of N=2550 large trial recruiting from 20 centres. The proposed costs is very large. The follow-up is 2-4 years (36 months mean).

Implicitly the study in evaluating not just the diagnostic value of the prolonged monitoring, but also the subsequent treatment.

This is an important area for research, but the applicant’s design will not provide clear answers to the question. The main issues are as follows: The selection of patients needs to be clearly defined. For example, patients with stroke in whom imaging shows multiple infarcts in different cortical territories on MRI is much more likely to have AF as the underlying cause of their stroke. The patient with extensive small vessel disease and a lacunar stroke is very unlikely to have AF as the underlying cause. Hence, all patients must have standard investigations and either the applicants concentrate on including patients most likely to have a cardiac source, or if they wish to include all patients, then they must stratify the randomisation by clinical stroke sub-type and analyse the date by these subgroups.

The applicants need to address the fact that trials of warfarin versus aspirin in patients not known to have AF or other cardiac sources of embolism (e.g. WARSS and ESPRIT) have failed to show any benefit of warfarin above aspirin. If there were significant numbers of patients with covert AF that would benefit from warfarin in the way the applicants propose, then one would have expected the trials to show superiority of warfarin over aspirin.

Hence, the applicants have first to show whether or not patients who are found to have a covert and short episode of AF on prolonged monitoring soon after stroke, are at increased risk of subsequent cardio-embolic stroke. The likelihood is that the occurrence of AF shortly after stroke may, in many patients, be it a response to damage to the brain (infarction of the insular cortex is associated with ECG changes, for example) or a response to metabolic instability (e.g. post-stroke pneumonia) and therefore may be unlikely to recur and cause subsequent stroke recurrence.

The applicant’s proposal to allow patients in the monitoring arm to have either Holter monitoring or an implanted rhythm monitor is not an acceptable compromise. They should study one or the other only, since the yield of the two methods will be very different, and the side effects and costs are also very different.

The treatment of AF is rapidly changing and thrombin inhibitors are likely to be used more and more over the next few years. Any trials in which most patients get warfarin are therefore likely to be seen as out-dated even before they are published. This is even more reason to first find out if the AF they detect with longer monitoring is important risk factor or not.

Taken together, the study cannot be recommended for funding."

Panel decision: reject

 

Ein kurzer Kommentar aus heutiger Sicht (10 Jahre später): Vielleicht war damals die Zeit noch nicht reif genug für Find-AF 2. Die Frage, ob man sich auf kryptogene Schlaganfälle beschränken soll (die Antwort ist nein), konnten wir später mit Find-AF randomised erbringen. Die Frage, ob insuläre Infarkte oder Pneumonien passageres Vorhofflimmern ohne erhöhtes Schlaganfallrisiko verursachen können, ist zwar weiter unklar, aber vermutlich nur ein Randproblem

Wir haben in der Folge noch mehrmals bei der DFG (und auch einmalig beim Deutschen Zentrum für Herz-/Kreislaufforschung) versucht, eine Förderung für Find-AF 2 zu bekommen, waren aber letztendlich immer erfolglos.

Allerdings konnten wir die Firma Boehringer Ingelheim im Sommer 2012 überzeugen, die Find-AFRANDOMISED-Studie zu finanzieren. Ende 2012 konnten die Verträge unterzeichnet werden und ab 1.1.2013 begannen wir mit den Planungen für die Studie, die wir dann Find-AFRANDOMISED nannten. Dr. Mark Weber-Krüger, der als Doktorand an der Find-AF I-Studie mitgewirkt hatte, konnte überzeugt werden, die Studie ärztlich zu koordinieren.

 

Find-AFRANDOMISED (2012-2017)

 

Von Mai 2013 bis August 2014 wurden die Patienten für Find-AFRANDOMISED rekrutiert. Wir hatten uns für ein oligozentrisches Studienkonzept mit vier starken Studienzentren entschieden (Universitätsmedizin Göttingen, Universitätsmedizin Mainz, Krankenhaus Sanderbusch und HSK Kliniken Wiesbaden).

Das Studiendesign der Find-AFRANDOMISED-Studie zeigt Abbildung 5.

 

Trial Flow
Abbildung 5: Studiendesign der Find-AF_RANDOMISED-Studie / Grafik: Wachter/Wasser

 

Ein Jahr später war das Follow-up beendet und wir reichten die Ergebnisse im Herbst 2015 als „late breaking Clinical Trial“ für die International Stroke Conference 2016 in Los Angeles ein. Erfreulicherweise wurde die Studie angenommen und ich durfte die Ergebnisse als „late breaking Clinical Trial“ in der Eröffnungssitzung der International Stroke Conference 2016 in Los Angeles vorstellen (Abbildung 6).

 

Vortrag Los Angeles
Abbildung 6: Vorstellung der Ergebnisse der Find-AFRANDOMISED Studie auf der International Stroke Conference 2016 in Los Angeles / Bild: Klaus Gröschel

 

Die Ergebnisse wurden ein knappes Jahr später auch in „Lancet Neurology“ publiziert. Abbildung 7 zeigt den primären Endpunkt Vorhofflimmern sowie den sekundären Endpunkt Schlaganfall in der Kaplan-Meier-Darstellung.

 

Doppelgrafik
Abbildung 7: Mehr Vorhofflimmern und weniger erneute Schlaganfälle in der Find-AF_RANDOMISED-Gruppe der Patienten, die drei 10-Tage-EKGs erhielten (rot) im Vergleich zu der Kontroll-Gruppe der Patienten, die die Standard-Diagnostik und –Behandlung erhielten (blau). Modifiziert nach Wachter et al., Lancet Neurology 2017 / Grafik: Wachter/Wasser

 

Uns war auch wichtig, dass wir die Studienteilnehmer über die Ergebnisse informieren. Wir haben deshalb kurz nach der Publikation der Studienergebnisse alle Studienteilnehmer aus Göttingen (ursprünglich 155) sowie interessierte Laien in die Universitätsmedizin Göttingen eingeladen, um Ihnen die Ergebnisse vorzustellen. Sie sehen auf dem Bild (Abbildung 8) den größten Hörsaal (Hörsaal 81), den ich noch nie so voll gesehen habe wie an diesem Tag.

 

Vortrag Hörsaal Göttingen
Abbildung 8: Vorstellung der Studienergebnisse der Find-AF_RANDOMISED-Studie für Studienteilnehmer und Interessierte. Göttingen, 26. Juli 2017 / Bild: Rolf Wachter

 

Mit den Ergebnissen der Find-AFRANDOMISED-Studie beantragten wir erneut die Förderung der Find-AF 2-Studie bei der Deutschen Forschungsgemeinschaften und nach mehreren Hürden erhielten wir am 20. September 2019 endlich den Förderbescheid für Find-AF 2. Wir haben dann mit Hochdruck an der Erstellung des Studienprotokolls gearbeitet und letztendlich konnten am 6.7.2020 die ersten beiden Patienten in Leipzig in die Find-AF 2-Studie eingeschlossen werden.